Künftig vier Kinderschutzambulanzen in Berlin

(02. Juli 2015, Grundlage Bericht von Lars Petersen B.Z.)

Jeden Tag werden im Land mehr als 14 Kinder geschlagen, missbraucht oder so drangsaliert, dass Berlins Jugendämter eine so genannte Kindeswohlgefährdung feststellen. Dann werden die Kinder befristet den Eltern weggenommen oder sozialpädagogische Hilfen eingeleitet.

So will der Senat in Berlin unsere Kinder besser schützen:

Um in Zweifelsfällen bei Missbräuchen mehr Klarheit zu schaffen, plant das Land nach Informationen der B.Z. jetzt in ganz Berlin vier Kinderschutzambulanzen.

Ein Sprecher von Jugendsenatorin Sandra Scheeres (44, SPD) bestätigt auf Anfrage, dass die vier Standorte Anfang 2016 an den Start gehen sollen. Die genauen Standorte will der Senat noch nicht nennen, sie sollen aber in Kliniken im Norden, Süden, Osten und Westen der Stadt eingerichtet werden. Nähere Informationen zum Konzept wurden noch nicht genannt.

Die Stiftung Tapfere Kinder hat sich bereit erklärt, eine dieser vier Kinderschutzambulanzen mit Spenden zu unterstützen.

Schon jetzt gibt es eine Gewaltschutzambulanz an der Charité und so funktioniert diese Kinderschutzambulanz: Erster Ansprechpartner ist eine erfahrende und auf die Erkennung von Missbrauchsfällen spezialisierte Krankenschwester. Sie koordiniert auch die weiteren Behandlungsschritte mit Medizinern, Psychologen und Sozialpädagogen. Die Teams beraten außerdem die Jugendämter.

Bestätigt sich medizinisch ein Missbrauchsfall, wird er von den beiden renommierten Rechtsmedizinern Michael Tsokos (48) und Saskia Etzold (34) gerichtsfest dokumentiert. Darüber hinaus arbeitet Scheeres nach B.Z.-Informationen an einer Entlastung für Berlins Jugendämter. Demnach soll für Mitarbeiter eine Höchstgrenze von etwa 65 Fälle eingeführt werden. Bislang sind es bis zu 140. Selbst gesetzliche Schutzvorgaben könnten so nicht mehr eingehalten werden, kritisieren Berlins Jugendämter seit Monaten. Möglicherweise müssen die Jugendämter dann aber mehr Personal einstellen.

Scheeres: „Ich hoffe, dass der Rat der Bürgermeister die Sorgen seiner Jugendamtsmitarbeiter ernst nimmt und der Höchstgrenze zustimmt.“

Und wie ist grundsätzlich um den Kinderschutz in Berlin bestellt? Dazu sprach die B.Z. mit Rechtsmedizinerin Saskia Etzold von der Charité:

Seit fast einem Jahr gibt es die Gewaltschutzambulanz an der Charité. Sie untersuchen dort auch Kindesmisshandlungen. Wie sieht ihre Bilanz aus?
Saskia Elzold: 36 Prozent aller Fälle betrafen Kinder. Einige habe ich sofort in die Kinderklinik überwiesen. Bei anderen gab es leichte Misshandlung oder selbst beigebrachte Verletzungen durch psychische Erkrankungen. Es gab nicht ein Kind, wo ich keine klare Empfehlung aussprechen konnte. Die Gewaltschutzambulanz ist ein Erfolg.

Was ist denn so gut an speziellen Kinderschutzambulanzen?
Im Moment gibt es ja schon an vielen Kliniken so genannte Kinderschutzgruppen. Die kümmern sich aber nur um stationäre Fälle. Wenn also Kinder nicht so schwer verletzt sind, dass sie in die Klinik müssen, wissen die Jugendämter nur bedingt, wohin sie gehen können. In den Kinderschutzambulanzen gibt es für solche Fälle Hilfe. Hier können sich die Fachleute direkt untereinander austauschen, Psychologen und Sozialpädagogen sind direkt vor Ort. Das ist ein Rundum-sorglos-Paket.

Wie kann der Kinderschutz noch weiter verbessert werden?
Wir sind auf einem guten Weg, aber wir müssen mehr in einen präventiven Kinderschutz investieren. So gibt es an der Charité das Projekt Babylotsen. Dabei sprechen Sozialarbeiter bereits in der Geburtsklinik mit werdenden Eltern und können helfen. Familienhebammen sollten in alle Familien. Wir sollten in der Lage sind, Probleme zu erkennen, bevor Kindern etwas passiert. Das darf auch nicht am Geld hängen. Wenn nämlich etwas passiert ist, sind die Hilfen am Ende deutlich teurer.

 

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